Ende Juni 2025 trafen sich rund 40 Akteur:innen aus der Hauswirtschaft im Marienhaus der Vinzentiushaus Offenburg GmbH. Es galt, Lösungen zu finden, um die nächste Generation für die Ausbildung in der Hauswirtschaft zu bewegen.
In ihrer Begrüßung zitierte Elke Hildebrand von der Diakonie Kork die Jahreslosung „Prüft alles und behaltet das Gute!“ (1. Thessalonicher 5, Vers 21). Sie wies darauf hin, dass dies insbesondere auch in der Hauswirtschaft sehr zutreffend sei. Elke Hildebrand ist Netzwerkleitung des Kreises Ortenau/Freiburg beim Berufsverband Hauswirtschaft e.V. in Baden-Württemberg, der zu dem Austausch am 25. Juni 2025 eingeladen hatte.
Gunther Müller, der Projektkoordinator der Koordinierungs- und Vernetzungsstelle Hauswirtschaft Baden-Württemberg (KVH), stellte die Arbeit und die Aktivitäten der KVH vor. Diese wird durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration aus Landesmitteln gefördert.
Die Ziele der KVH sind:
- Schaffung von verlässlichen landesweiten und regionalen Netzwerkstrukturen
- Bündelung von Ressourcen
- Aufbau einer Unterstützungsstruktur für die Professionalisierung der Hauswirtschaft
- Gewinnung und Bindung von Fach- und Führungskräften in der Hauswirtschaft
- Verbesserung von Image und Bekanntheitsgrad des Berufsbildes durch Öffentlichkeitsarbeit
- Stärkung der Hauswirtschaft in Baden-Württemberg.
Hauswirtschaftsausbildung in Baden-Württemberg: Bedeutung regionaler Schulentwicklung
Martin Dalhoff, Schulleiter der Helene-Lange-Schule in Offenburg, zeigte Schwerpunkte der Schule. Es handelt sich hierbei um einen zentralisierten Standort im Regierungsbezirk Freiburg. Er erläuterte die Notwendigkeit von regionaler Schulentwicklung (RSE) und führte aus, dass die Helene-Lange-Schule als Kompetenzzentrum Hauswirtschaft eine wichtige Rolle dabei spielt.
Dalhoff führte die Gründe für RSE-Maßnahmen aus:
- Diese Maßnahmen bieten dem Träger mehr Planungssicherheit, sodass Investitionen getätigt werden können, um nachhaltige Bildungsgänge zu gewährleisten.
- Durch die Bildung von Kompetenzzentren wird die Unterrichtsqualität erhöht, da sich Lehrkräfte besser austauschen, stärker vernetzen und adäquat vertreten können.
- Die Kompetenzzentren erhalten eine optimale Ausstattung durch den Träger.
- Es besteht keine Konkurrenz bei der Gewinnung von Speziallehrkräften auf dem leergefegten „Lehrermarkt”.
- Dadurch werde eine nachhaltige Sicherung der Bildungsangebote in der Raumschaft und im Regierungsbezirk Freiburg ermöglicht, es werde ein effizienter Ressourceneinsatz erreicht und der ländliche Raum wird gestärkt und nicht nur die Zentren.
Ziel des kreisübergreifenden RSE-Prozesses ist die gemeinsame Entwicklung tragfähiger Lösungen zum Erhalt der Bildungsgänge im Regierungsbezirk Freiburg.
Zentralisierte Standorte im Regierungsbezirk Freiburg seit Schuljahr 24/25 sind bei der Ausbildung zum/zur Florist/in: Albert-Schweitzer-Schule Villingen, Ausbildung Hauswirtschafter/in: Helene-Lange-Schule Offenburg, Ausbildung zum/zur Medientechnologen/in Druck: Gewerbliche Schule Lahr. Ab dem Schuljahr 2025/2026 findet die Beschulung im Blockunterricht statt. Eine Unterbringung im Schülerwohnheim Kehl ist hierzu angedacht.

Bildungsangebote an der ALH Kupferzell
Daniela Katz-Raible, stellvertretende Schulleiterin und Fachbereichsleiterin Hauswirtschaft an der Akademie für Landbau und Hauswirtschaft Kupferzell (ALH), berichtet über die hauswirtschaftlichen Bildungsangebote an der ALH.
Die dortigen Angebote sind aktuell:
- Überbetriebliche Ausbildung (Reinigen und Pflegen von Textilien)
- Staatlich geprüfte/-r und anerkannte/-r Dorfhelfer/-in
- Staatlich geprüfte/-r und anerkannte/-r Dorfhelfer/-in, Staatlich geprüfte/-r und anerkannte/-r hauswirtschaftliche/-r Betriebsleiter/-in.
- Meister/Meisterin der Hauswirtschaft
- Landwirtschaftstechnische/-r Oberlehrer/-in und Berater/-in (LTLB).
Bildungsweg an der Merian-Schule Freiburg
Sonja Grimme stellt die Merian-Schule in Freiburg vor und erläutert den Erwerb der Fachhochschulreife (landesweit) mit dem zweijährigen Berufskolleg für Ernährung und Haushaltsmanagement (2BKEHI).
Es gibt hierin vier Handlungsfelder:
- Grundlagen hauswirtschaftlichen Handelns erfahren und anwenden
- Verpflegungsmanagement und personenbetreuende Dienstleistungen planen und umsetzen
- Serviceorientierte Dienstleistungen anbieten
- Wohnumfeld gestalten.
Es besteht dann eine Anschlussmöglichkeit mit dem 1BKEHII (drei Tage Schule, zwei Tage Praxis, 600 Stunden) und den Erwerb des Ausbildungsabschlusses zum/zur staatlich geprüften Assistent/in für Ernährung und Haushaltsmanagement.
Das Bildungszentrum Emmendingen-Hochburg (LBH)
Andrea Fromm vom Landwirtschaftsamt des Landkreises Emmendingen stellt das Landwirtschaftliche Bildungszentrum Emmendingen-Hochburg (LBH) vor. Der Kompetenzstandort Baden-Württemberg vereint die Fachbereiche Landbau, Weinbau und Önologie, ökologischer Landbau und Hauswirtschaft. Im LBH kann die Ausbildung zur staatlich geprüften Fachkraft für Hauswirtschaft in Teilzeit absolviert werden. Es wird ein Meister*innen-Vorbereitungslehrgang Hauswirtschaft angeboten.
Dieser ist in vier Module gegliedert.
- Fächerübergreifendes Modul 1
- Berufsausbildung und Mitarbeiterführung Modul 2
- Hauswirtschaftliche Versorgungs- und Betreuungsleistungen Modul 3
- Betriebs- und Unternehmensführung Modul 4
Bedeutung und Qualität hauswirtschaftlicher Praktika
Da das zweiwöchige Schulpraktikum im Betrieb eine Art Visitenkarte ist, sollte es entsprechend gut vorbereitet sein. So haben einige Betriebe von einigen Lehrern das Feedback bekommen, dass einige Praktikanten zwei Wochen lang nichts zu tun hatten, als Geschirr zu spülen. Das ist natürlich nicht optimal, um weiterempfohlen zu werden.
Besser ist es, im Voraus zu überlegen, wie man abwechslungsreich mit dem Praktikanten zusammenarbeiten und die eigenen Auszubildenden einsetzen kann, denn hier herrscht eine ganz andere Offenheit, Vertrautheit und es kommt zu einem anderen Smalltalk zwischen den jungen Leuten.

Elke Hildebrand von der Diakonie Kork (li.) und Anja Doll von der Vinzentiushaus Offenburg GmbH
Neue Ansätze zur Nachwuchsgewinnung
„Früher sind wir zwei Stunden lang in die Schule gekommen, doch das war sehr aufwendig und es war nicht einfach, die Schüler*innen zu überzeugen. Heute lotsen wir die Klassen lieber zu uns in die Einrichtung, um sie direkt zu begeistern“, sagte die Gastgeberin Anja Doll von der Vinzentiushaus Offenburg GmbH. „Gut ankommt dabei eine Fragerunde, zu der wir auch Mitarbeiterinnen aus der Pflege einladen, denn auch hier haben wir einen starken Bedarf an Azubis.“ Die Pflegekräfte erläutern beispielsweise den Lifter oder zeigen eine Aktivierungsmaßnahme.
„In der Hauswirtschaft stellen wir den Schülern in kleinen Gruppen eine Challenge: Sie sollen beispielsweise eine Geburtstagsfeier mit sechs Gästen eindecken und planen. Ich stelle entsprechende Utensilien zusammen. Auch kommt es gut an, wenn wir etwas Florales vorbereiten, das die Schüler mit nach Hause nehmen können.“
Kreative Messearbeit zur Berufsorientierung
Auf Berufsmessen werden oft nur Prospekte und Kugelschreiber verteilt. Anja Doll macht das anders: „Wir lassen die Give-aways von den Besuchern selbst vollenden. Beispielsweise haben wir Erdbeermarmelade eingekocht, die die Besucher am Stand dann mit entsprechenden Aufklebern versehen oder mit Schleifen verzieren konnten. So kamen wir viel besser ins Gespräch.“
Ein weiteres Beispiel ist Badesalz, das die Besucher selbst am Stand abfüllen konnten. Eine Messe zuvor wurden ein Jahr lang kleine Herzen genäht, die die Messebesucher dann mit Watte füllen und mit dem Stempel „Schön, dass es dich gibt” versehen konnten. „Diese Herzen sind dann oft ein passendes Muttertaggeschenk, sodass auch die Eltern, die bei der Entscheidung über die beruflichen Wege ihrer Kinder ja nicht ganz unwesentlich sind, mit eingebunden werden und im Boot sind.“ So erreicht man bei den Give-aways gleich zwei Zielgruppen.
Herausforderungen: Schulabbruch und Ausbildungszahlen
Ein Problem ist die wachsende Schulabstinenz. So begannen beispielsweise 60 Schülerinnen in einer Baden-Württemberger Schule mit der Ausbildung, doch nach drei Monaten melden sich bereits 20 von ihnen wieder ab. Es ist schwierig, die Schüler überhaupt am Ball zu halten, sodass sie dabeibleiben.
Insgesamt gibt es in Baden-Württemberg nur noch knapp 100 Auszubildende in der Hauswirtschaft.
Wichtig ist, dass eine gute Ausbildung ermöglicht wird, wofür der Betrieb bereit sein muss, zu investieren. Einfaches „Mitlaufen“ ist heute nicht mehr möglich. Wenn man drei Auszubildende im Betrieb hat, sollte man mindestens eine halbe Stelle zur Betreuung einkalkulieren und auch immer wieder unterhaltsame und kreative Dinge wie Blumenschmuck, Backen oder Gestalten mit einplanen.
Kritik an Ausbildungswegen und Vergütung
Nach Meinung von Elke Hildebrand von der Diakonie Kork ist der Werdegang zum/zur Hauswirtschaftliche/-r Betriebsleiter/-in immer noch zu lang. Zusammengezählt mit der vorherigen Grundausbildung entspricht er zeitlich einem Vollstudium, spiegelt aber dann beim Berufseinstieg nicht das Gehalt eines Studierenden wider. Die Meisterausbildung wiederum lässt sich nebenberuflich in eineinhalb Jahren absolvieren und führt anschließend im DQR 6, also zu derselben Eingruppierung wie die HBL. Es ist für Hildebrand fraglich, ob das noch im Verhältnis stehe.
Robert Baumann/Gespräch mit Anja Doll und Elke Hildebrand
Fotos: Elke Hildebrand, Gunther Müller, Pixabay
