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Beurteilungsfehler: Auf einem Auge blind?

Beim Beurteilen von Mitarbeitern gelangen Führungskräfte oft zu Fehleinschätzungen. Dies führt unter anderem zu Fehlbesetzungen, ungeeigneten Entwicklungsmaßnahmen und einer erhöhten Personalfluktuation. Unternehmen kostet das viel Zeit und Geld.

Der Hierarchie-Effekt

Insbesondere wenn eine solche Bewertung abteilungs- oder hierarchieübergreifend erfolgt, konstatiert man oft den Hierarchie-Effekt. Von ihm spricht man, wenn ranghöheren Personen automatisch mehr Kompetenz zugeschrieben wird als Personen in den niedrigeren Chargen. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Abteilungsleiter einem Teamleiter automatisch mehr Sachverstand als einem normalen Sachbearbeiter unterstellt. Oder einem Diplom-Betriebswirt ein ausgeprägteres unternehmerisches Denken als einem Industriekaufmann. Dies geschieht im Führungsalltag häufig. Als Folge hiervon werden Mitarbeiter oft mit den falschen Aufgaben betraut. Eine weitere Folge ist: Wenn der Industriekaufmann Müller etwas sagt, wird seinen Aussagen eine geringere Bedeutung beigemessen, als wenn Diplom-Kaufmann Mayer dasselbe sagt. Das frustriert Müller, weshalb er irgendwann nichts mehr sagt. Das heißt, der Mitarbeiter kündigt zumindest innerlich.

Der Benjamin-Effekt

Eng verwandt mit dem Hierarchie- ist der Benjamin-Effekt. Von ihm spricht man, wenn jungen Mitarbeitern automatisch mehr oder weniger Kompetenz zugeschrieben wird als älteren Kollegen, die schon viele Jahre Berufserfahrung haben und eventuell schon lange fürs Unternehmen arbeiten. Dass jungen Mitarbeitern weniger zugetraut wird und sie sich erst einmal bewähren müssen, registriert man oft in Industrieunternehmen und Verwaltungen. Die Folge: Junge, talentierte Mitarbeiter wandern ab, weil sie in ihren Augen nur „Drecks-“ oder „Zulieferarbeiten“ erledigen müssen und kaum gefördert werden.

Das Gegenteil registriert man häufig in IT-Unternehmen. Oder in Unternehmen wie Werbeagenturen, die sich als Kreativ-Schmieden verstehen. In ihnen wird älteren Mitarbeitern oft unterstellt, sie seien nicht mehr up-to-date. Oder sie seien weniger flexibel und kreativ, belastbar und lernfähig als die jungen. Dann wirkt sich der Benjamin-Effekt positiv für die Jungen aus. Und die Alten? Sie ziehen sich mental aufs Altenteil zurück, weil sie Tag für Tag, wenn auch subtil spüren: Das Unternehmen beziehungsweise meine Chefs haben mich bereits abgeschrieben.

Der „Blender-Effekt“

Oft schließen Führungskräfte auch von einer Fähigkeit eines Mitarbeiters auf dessen sonstige Fähigkeiten. Dies registriert man in Unternehmen sehr oft. Hierfür ein Beispiel, das so häufig vorkommt, dass man es als Alltagsbeispiel bezeichnen kann. Angenommen ein Mitarbeiter ist ein eloquenter Redner, der sich und seine Leistungen sehr gut präsentieren und verkaufen kann. Dann neigen insbesondere Vorgesetzte, die mit ihm nicht tagtäglich Kontakt haben, dazu, anzunehmen: Das ist ein Top-Mitarbeiter – selbst wenn seine Leistung real nur durchschnittlich oder gar unterdurchschnittlich ist. Also fördern und befördern sie ihn. Das führt dazu, dass die Mitarbeiter als die eigentlichen Leistungsträger frustriert sind, weil ihre Leistung – im Gegensatz zu der des „Schaumschlägers“ – nicht angemessen gewürdigt wird. Eine weitere negative Konsequenz ist: Irgendwann sitzen in den gehobenen oder gar oberen Etagen des Unternehmens überwiegend „Blender“, die fachlich wenig Ahnung haben. Ein Phänomen, das man bis vor wenigen Jahren in Konzernen sehr häufig registrierte, weil ihre Entwicklungsprogramme primär smarte Karrieristen nach oben spülten. Doch inzwischen haben die meisten Konzerne dies erkannt und legen bei der Auswahl ihrer „High Potentials“ andere Kriterien an.

Von: Hans-Jörg Schumacher

 

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