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Nachhaltigkeit in der Verpflegung

von | Aug. 15, 2025 | Neu

Sarah Knuplez ist Expertin für Nachhaltigkeit bei Chefs Value Consult, einer Marke des Lebensmittel-Großhändlers Chefs Culinar. Sie berät unter anderem Seniorenheime und verrät uns wichtige Stellschrauben für mehr Nachhaltigkeit in der Verpflegung, zeigt aber auch Grenzen auf.

Frau Knuplez, oft gibt es in der Praxis Vorbehalte gegen den Begriff Nachhaltigkeit, weil er so abstrakt und wenig konkret ist. Wie kann man Nachhaltigkeit in der Gemeinschaftsverpflegung greifbarer machen?

Gerade weil Nachhaltigkeit für viele ein undefinierter Begriff ist, der alles und nichts bedeuten kann, versuchen wir das Ganze zunächst für unsere Kunden herunterzubrechen. Zunächst sehen wir uns die drei Säulen der Nachhaltigkeit mit der sozialen, ökonomischen und ökologischen Dimension an. Auch Verpflegung hat in allen drei Aspekten unterschiedliche Nachhaltigkeitsziele, die sich im besten Fall positiv aufeinander auswirken. Außerdem arbeiten wir in der Gemeinschaftsverpflegung mit acht wesentlichen Hebeln. Dazu gehören Speiseplanung, Einkauf & Transport, Lagerung, Energie, Zubereitung, Ausgabe, Entsorgung & Reinigung, Mitarbeiter & Tischgast.

Sind die verschiedenen Handlungsfelder für die Nachhaltigkeit im Verpflegungskonzept definiert? Dann ist es gar nicht mehr so schwierig, passende Maßnahmen für die verschiedenen Stellschrauben zu finden.

Welches der globalen Nachhaltigkeitsziele ist im Seniorenheim denn besonders relevant?

Wenn wir uns die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen ansehen, zahlen wir im Seniorenheim generell und auch im Bereich der Verpflegung auf das SDG 3 Gesundheit und Wohlergehen ein. Bei Care-Einrichtungen sind die Essenszeiten das Highlight des Tages. Manchmal ist das, was in Seniorenheimen oder auch anderen Gesundheitseinrichtungen auf den Teller kommt, weder besonders appetitlich noch vollwertig. In Altenhilfeeinrichtungen ist jedoch nicht nur der Genuss wichtig. Sondern es besteht bei der Verpflegung ein Auftrag in Sachen Gesundheit, Vollwertigkeit und Abwechslung. Das ist Priorität Nummer eins. Wenn wir Speisepläne analysieren, fragen wir uns: Sind die Gerichte vollwertig und gesund? Hier orientieren wir uns an den DGE-Standards. Als zweite Priorität kann dann Klimafreundlichkeit betrachtet werden.

Sarah Knuplez beantwortete die Fragen von rhw management (Foto: Chefs Value Consult)

Und was empfehlen Sie, welche Handlungsfelder sollte man als Senioreneinrichtung in Sachen Klimafreundlichkeit zuerst angehen?

Das ist tatsächlich in erster Linie der Speisenplan, also was biete ich an? Da steckt der Einkauf mit drin und somit auch die Themen Bio, vegetarisch, saisonal sowie die Vollwertigkeit. Ein weiteres großes Thema ist die Überproduktion. Hier sind wir bei der ökonomischen Nachhaltigkeit, da ungegessene Speisen hohe Kosten in der Beschaffung und Entsorgung bedeuten. Und natürlich geht es auch um eine ethische Verantwortung. Denn die vielen Ressourcen, die vom Feld bis hin zum Teller in Anspruch genommen und genutzt wurden, sollen nicht am Ende im Abfall landen und umsonst gewesen sein.

Größter Hebel ist das Fleisch auf dem Teller

Wenn wir über den größten Hebel in Richtung Nachhaltigkeit reden, dann geht es immer um das Fleisch auf dem Teller. Momentan ist das in Seniorenheimen tatsächlich ein ganz pikantes Thema. Die derzeitigen Bewohner haben früher aus der Werbung gelernt, dass Fleisch unheimlich gesund ist. Und in den Nachkriegsgenerationen bedeutete Fleisch auch einfach Wohlstand. Wer ohne Vorwarnung zu viele Fleischgerichte vom Speiseplan nimmt, wird verständlicherweise auf großen Widerstand stoßen. Es ist ein sehr sensibles und persönliches Thema, keiner möchte beim Essen gemaßregelt werden. Doch wenn wir Fleisch betrachten, hat Rindfleisch den höchsten CO2-Fußabdruck und damit haben wir hier die größten Potenziale, wenn wir über Klimafreundlichkeit auf dem Speiseplan reden.

Welche Lösungsschritte gibt es, um das Thema Fleisch in den Griff zu bekommen?

Hier bieten wir bei Chefs Value Consult verschiedene Lösungen bezüglich des Speiseplans an. Das erste ist ein einfacher, psychologischer Trick. Dabei raten wir bei mehreren Menülinien dazu, die vegetarischen Menüs auf Menü 1 zu setzen. Wenn wir Wahlmöglichkeiten haben, bleiben die meisten bei der ersten Wahl hängen. Es hat sich schon oft in der Praxis gezeigt, dass wenn man vegetarische Gerichte auf Platz eins setzt, der Tischgast aus Gewohnheit bei Menü 1 bleibt.

Der zweite Punkt ist, regionale, vegetarische Gerichte anzubieten, die die Senioren kennen und mögen. Es empfiehlt sich nicht, thailändischen Papaya-Salat mit Fischsoße zu servieren. Küchenleitungen sollten viel erfolgreicher auf die traditionellen, regionalen Klassiker setzen,. Dazu gehören beispielsweise Frankfurter Grüne Soße, Gemüserisotto oder Rahmschwammerl mit Semmelknödel.

Was gehört noch dazu?

Auch wichtig ist, vegetarische Gerichte attraktiv zu gestalten. In Betriebskantinen sage ich immer, Nudeln mit Tomatensoße ist kein attraktives vegetarisches Gericht. Schmackhafter ist das Ganze, wenn noch andere Zutaten hinzugefügt werden wie Büffelmozzarella und Basilikum oder Rucola und Parmesan.

Weiterhin ist es wichtig, sich die Portionsgrößen speziell beim Fleisch anzusehen. Oft können die Senioren das Fleisch nicht mehr so gut verdauen und trotzdem sind oft drei Scheiben Braten mit zusätzlichen Beilagen auf dem Teller. Hier bieten wir mit einem Kooperationspartner eine KI-basierte Speiseabfallkamera an, die vor Ort beim Rücklauf installiert wird. Damit kann genau dokumentiert werden, was und wie viel weggeworfen wird.

Zusätzlich empfiehlt es sich, dass die Menüassistenz in einem begrenzten Zeitraum (zum Beispiel zwei Wochen) ein Augenmerk auf den tatsächlichen Verbrauch der Bewohner legt. All diese Maßnahmen helfen dabei, zu überprüfen, wie viel die Bewohner überhaupt essen, und dies kann in die zukünftige Planung miteinfließen, um den Fleischkonsum gerecht anzupassen.

Interview: Alexandra Höß

Foto: Chefs Value Consult

Das ganze Interview lesen Sie in der aktuellen rhw management-Ausgabe 7-8/2025.

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