Die Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Ursula Münch leitet seit elf Jahren die Akademie für Politische Bildung in Tutzing. Für rhw management kommentiert sie die Lage der Hauswirtschaft und die potenzielle Kraft der Verbände.
„Egal wer auf unseren Tagungen in der Politischen Akademie eingeladen ist; alle erinnern sich daran: wie waren die Atmosphäre, das Essen oder die Zimmer, war ich hier ein Gast oder nur eine durchlaufende Nummer? Und das ist das Ergebnis der Arbeit der Hauswirtschaft! Sie wissen am besten, wie bedeutsam Ihre Arbeit ist – und doch ist sie nicht prestigeträchtig. Wenn Sie streiken würden, dann wüssten alle, was ihnen fehlt; doch Sie streiken nicht, und das genau aus den Gründen, wegen derer Sie Ihren Beruf gewählt haben.
Viele Leute wissen immer noch nicht, über welche Kompetenzen Sie verfügen; dass Sie wichtige Kulturtechniken erwerben und weitergeben oder dass die Hauswirtschaft im Süden Deutschlands eine andere Tradition hat als beispielsweise im Norden oder Osten Deutschlands.
Hauswirtschaft umfasst auch stigmatisierte Tätigkeiten, die als „Dirty Work“ wahrgenommen und abgewertet werden. Kein Wunder, dass eine resignative Haltung bei den Hauswirtschaftskräften noch weiterverbreitet ist als in der Pflege. Diese unangemessene Missachtung schmälert die Freude an der Arbeit. Sicher ist, dass die Bedeutung der Hauswirtschaft weiter zunehmen wird – nicht zuletzt, weil noch mehr Kinder betreut werden, damit mehr Frauen erwerbstätig sein können.
Von einem Berufsverband erwartet man das Tätigwerden – und das in einer sehr heterogenen Landschaft an Verbänden in der Hauswirtschaft. Warum sollte man Mitglied werden, wenn man seinen Verband als nicht durchsetzungsstark erlebt?
Die Verbände der Hauswirtschaft sind im Bereich so genannten Kollektivgüter tätig und vertreten zum Beispiel das Interesse an gesunder Ernährung und am Schutz unserer Lebensgrundlagen; das ist ihr großes Pfund. Blöd nur, dass ein solche Kollektiv- bzw. Allgemeingut sich dadurch auszeichnet, dass man beim Erreichen von solchen Zielen auch diejenigen nicht ausschließen kann, die gar keinen Beitrag dazu geleistet haben. Das heißt: Wenn von Ihrem Einsatz die Allgemeinheit profitiert, kann Sie das zwar freuen – aber Sie müssen damit leben, dass sich auch andere Gruppen diesen Erfolg auf die Fahne schreiben. Um mehr Gehör zu erhalten, müssten die Verbände deshalb in strategischen Partnerschaften denken und die Bedeutung ihrer Mitgliederschaft für die Politik einrechnen.
Denn Verbände haben eine Relevanz, die Parteien oft fehlt! Verbände können ein Zugehörigkeitsgefühl anbieten und eine Verwurzelung in der Gesellschaft, die der Politik oftmals verloren gegangen ist. Ein Verband der Hauswirtschaft hat zudem den Vorteil, mit dem Allgemeinwohlbezug argumentieren zu können. Darum beneiden Sie andere. Mit diesem Netzwerk sind Sie nicht Bittsteller, sondern das Medium zur Verankerung der Wählerschaft zur Politik. Sie haben das, was andere gerne hätten!
Die Hauswirtschaft hat ganz viele Antworten auf die Fragen unserer Zeit, beispielsweise wie wir sinnvoll mit den Ressourcen Zeit, Geld oder Lebensmittel umgehen. Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern das Durchhalten. In diesem Sinne braucht sich Hauswirtschaft nicht zu verstrecken, dafür leistet sie viel zu viel für unsere Gesellschaft im Vergleich zu anderen Berufen!“
Bildunterschrift: Die Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Ursula Münch leitet seit elf Jahren die Akademie für Politische Bildung in Tutzing
Foto: Akademie für politische Bildung
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