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Weg von den Minijobs hin zu Gutscheinen

Haushaltsnahe Dienstleistungen: Bereits zum zweiten Mal steht im Koalitionsvertrag, dass durch Gutscheine Familien entlastet und die Schwarzarbeit eingedämmt werden soll. Weg von den Minijobs hin zu Gutscheinen wie realistisch ist das? Hierzu tauschten sich Anbieter und Interessierte auf Einladung des Deutschen Hauswirtschaftsrat e. V. aus.

Über die Abschaffung des Ehegattensplittings waren sich alle 50 Beteiligten der Online-Diskussion am 28. November 2023 einig. „Wir müssen auch weg von den Minijobs“, betont Dr. Martin Russell Varga vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Besser ist es, wenn jeder seine Erwerbswünsche steuerlich vergleichbar belastet verwirklichen kann, denn steuerfrei Minijobs machen es Frauen auf Dauer schwer, sie sind wie ein Klebeeffekt und erleichtern eben nicht den Übergang zur Vollzeit.

Der Anteil der Schwarzarbeit im Haushalt ist auch bei uns auf mittlerweile über 90 Prozent gestiegen, das ist kein Zustand, betonte die Forscherin Prof. Uta Meier-Gräwe aus Freiburg. Auch sie weiß aus Studien, dass sich Minijobs als Brückenjobs in den ersten Arbeitsmarkt nicht bewährt haben.

Im Gegenteil, sagt Prof. Meier-Gräwe: „Was könnten die gut ausgebildeten Frauen aus Minijobs an Wertschöpfung erbringen, wenn sie dort nicht arbeiten müssten?“

Weg von den Minijobs hin zu Gutscheinen

Neue Wege wären, dass inzwischen auch private Dienstleister in Kindergärten die Erzieherinnen unterstützen können. Also die Hauswirtschaft an private Dienstleister auslagern, damit die Erzieher mehr Zeit für die Kinder haben. Und so entlastet werden. Eine weitere Idee: Große Unternehmen können auch selbst Anbieter von haushaltsnahen Dienstleistungen werden und dann direkt mit den Dienstleistern kooperieren und Verträge abschließen. „Wir brauchen nicht nur künstliche Intelligenz, sondern auch eine gute Dienstleistungsinfrastruktur, gerade im Hinblick auf die nächsten Jahre, wenn uns die Babyboomer auf dem Arbeitsmarkt fehlen werden. Es ist Zeit zu handeln“, so Meier-Gräwe.

Die DHWir-Präsidentin Ursula Schukraft betonte, dass vieles von den Fördermitteln abhängt. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sobald die Gutscheine und Zuschüsse nicht mehr fließen, wie in einem Modellprojekt in Baden-Württemberg, auch die Leistungen nicht mehr abgerufen werden.“

Aber wie soll man das umsetzen, wenn gerade nach dem BGH-Urteil zu den Ausgaben der Bundesregierung um jeden Euro gefeilscht wird? „Die Hauswirtschaft wird leider schnell vergessen“, so Schukraft, „doch wenn man die geleistete Care-Arbeit nur mit dem aktuellen Mindestlohn bezahlen würde, würde sich das Bruttosozialprodukt in Deutschland verdoppeln!“ Es ist also eine große Aufgabe und Hauswirtschaft ist Teil der Lösung, um Familien ein besseres Leben zu ermöglichen und Millionen Frauen aus der Schwarzarbeit herauszuholen.

Wohl keine Chance mehr…

Dr. Astrid Pape von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sieht in dieser Legislaturperiode allerdings keine Chance mehr, die bereits im zweiten Koalitionsvertrag beschlossene Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen umzusetzen.

Es ist und bleibt eine Frage der Finanzierung, zunächst sind es eben Strukturen und Ausgaben, die man in den Ring werfen muss und dann vielleicht später ein Nullsummenspiel zu haben. Und es ist eine Frage des politischen Willens. Prof. Uta Meier-Gräwe wandte sich dagegen, die Flinte ins Korn zu werfen, und sagte: „Es wäre schade, wenn wir erst pathologisch lernen würden. Das heißt, wir sollten lieber jetzt anfangen, bevor es so schlimm wird, dass wir plötzlich dazu gezwungen sind.“

Haushaltsnahe Dienstleistungen helfen, Altersarmut zu vermeiden, sie sorgen für eine moderne, zukunftsfähige Struktur. Denn viele Frauen erleben den Sandwich-Effekt: die Kinder sind gerade aus dem Haus, sie könnten nun wieder Vollzeit arbeiten und dann kommt das Thema Pflege von Schwiegereltern und Eltern auf sie zu. Hier bieten haushaltsnahe Dienstleistungen eine Entlastung, doch diese muss für die Familien finanzierbar sein.

Weitere Expertengespräche vom Deutschen Hauswirtschaftsrat e. V. sind für 2024 geplant.

Robert Baumann

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