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Integration mit Frühstück und Obstpause

An der Grundschule am Winthirplatz in München werden seit 2015 rund 20 Kinder aus Flüchtlingsgebieten betreut. Das Mittagessen kocht eine Marokkanerin, die sich in Augsburg zur Hauswirtschafterin ausbilden ließ. Ganz wichtig ist ein gemeinsames Frühstück ab 7.00 Uhr mit allen Kindern der Grundschule.

Die insgesamt 20 Kinder der so genannten Übergangklasse – sie bleiben nur zwei Jahre an der Schule, um dann in Regelklassen an anderen Orten zu wechseln – stammen unter anderem aus Syrien, Afghanistan oder dem Kosovo. Bei vielen Flüchtlingskindern ist das genaue Geburtsdatum nicht bekannt oder wurde nicht richtig angegeben. Der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund in den neun Regelklassen liegt bei etwa einem Drittel, hinzu kommt die Übergangsklasse, so dass an der Schule am Winthirplatz Kinder aus 35 verschiedenen Nationen unterrichtet werden.

Vorbereitet und betreut von ehrenamtlichen Senioren

Das gemeinsame Frühstück ab sieben Uhr mit allen Kindern der Grundschule kann ohne Anmeldung genutzt werden. „Zu Beginn haben sich die Kleinen noch fünf Scheiben Brot auf einmal gerafft, weil sie nicht wussten, wann sie wieder etwas zu essen bekommen“, so schilderte es Rektorin Eva Wobido. „Man muss dazu wissen, dass einige Kinder abends nur mit einer Tasse Tee ins Bett gehen, ohne eine Mahlzeit. Diese Kinder brauchten eine Weile, um sich daran zu gewöhnen, vom Frühstücksbuffet immer wieder Speisen nachholen zu dürfen.“

Ermöglicht wird dieses Frühstück durch den Verein Brotzeit e. V., dessen Botschafterin die Schauspielerin Uschi Glas ist. Vorbereitet und betreut wird das Essen dabei ehrenamtlich von Senioren, die darüber hinaus in den Freistunden und nach Schulschluss bei den Hausaufgaben helfen. Es werden durch den Verein also Brot und Zeit geschenkt.
„Durch das gemeinsame Frühstück sind die Kinder weniger aggressiv und werden lernbereit für den Unterricht“, berichtet Eva Wobido. Wenn besondere Aktionen stattfinden wie beispielsweise das Backen in der Weihnachtszeit – auch dies wird begleitet von ehrenamtlich arbeitenden Senioren – kann die Frühstückszeit auch mal auf nach acht Uhr ausgedehnt werden. So soll den Kindern immer wieder überraschend eine Freude gemacht werden.

Kinderherzen öffnen sich den „Großeltern“

„Wir haben festgestellt, dass sich die Flüchtlingskinder gegenüber Senioren – wie wohl schon früher bei ihren Großeltern – viel stärker öffnen als gegenüber Eltern, Lehrern oder anderen Mitschülern. Den deutschen „Großeltern“ erzählen sie auch von ihren Traumata, die sie durch Krieg und Vertreibung erlebt haben“, sagt Eva Wobido. Einige Kinder haben sich beispielsweise in enge Flugzeugräume eingeschmuggelt und dort ständig befürchtet, entdeckt zu werden.

Dass die Kinder Traumata mit sich herumtragen, wird nicht immer sofort deutlich. „Einige Kinder sind zunächst sehr ruhig, und es bricht erst nach einigen Wochen aus ihnen aus“, berichtet die Klassenlehrerin Katrin Richter, Koordinatorin aller Helfer der „WIN“, wie das gemeinschaftliche Projekt genannt wird. WIN steht dreifach für „Win“ (Gewinnen), „Wir in Neuhausen“ (Stadtteil) und den „Winthirplatz“, dem Ort der Schule.

Bei anderen Kindern war ein Erlebnis wie der Amoklauf in München am 22. Juli 2016 mit zehn Toten, hunderten Polizisten, Blaulicht und Sirenen in der ganzen Stadt ein Auslöser dafür, dass ihre Erinnerungen wieder aufbrachen. Denn die Grundschule befindet sich nur 1.000 Meter entfernt vom Ort des Amoklaufs in Olympia-Einkaufszentrums. Der Sanitäter, der an jenem schwarzen Freitag mitsamt seinem Krankenwagen ausgerechnet zum jährlichen Sommerfest eingeladen war, musste von der Schule direkt in den Einsatz, um Menschen mit Schussverletzungen zu versorgen.
„Die Kinder sind in einer völlig neuen Welt und müssen sich erst in dieser zurechtfinden“, sagte Wobido. „Deshalb sieht bei uns jeder Tag möglichst gleich aus“. Es gibt nach dem Frühstück Grundunterricht am Vormittag, eine Bewegungspause von 10.20 Uhr bis 10.45 Uhr und dann eine Sprachspiel-Arbeitsgemeinschaft. Die Kinder der zweiten Klasse bringen hierbei den Flüchtlingskindern die deutsche Sprache bei. „Wir sind sehr beeindruckt davon, wie das unsere kleinen Schüler der zweiten Klasse mit viel Hingabe schaffen“, ergänzt Katrin Richter.

Robert Baumann

Mehr zum Thema lesen Sie in der rhw management-Ausgabe 10/2016

Foto: Grundschule am Winthirplatz

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