Von der Fremdbestimmung zur Mitbestimmung, von der Versorgung zur individuellen Unterstützung und von der Werkstatt zur Wertarbeit: In der Behindertenhilfe hat sich in den letzten Jahren einiges verändert. rhw management sprach darüber mit Diplom-Ökotrophologin Angelika Wortmann, die beim Caritasverband für die Stadt Köln Abteilungsleiterin bei der Caritas Wertarbeit ist und zudem Betriebsleiterin des Integrationsunternehmens CariClean.
Allein Namen können viel aussagen: So hat der Caritasverband für die Stadt Köln sein Geschäftsfeld „Werkstatt“ vor drei Jahren in „Wertarbeit“ umbenannt. „Die Arbeit, die hier von Menschen mit Beeinträchtigungen geleistet wird, hat einen hohen Wert. Das sollte mit der Umfirmierung deutlich gemacht werden“, erklärt Angelika Wortmann.
Caritas Wertarbeit bietet Arbeitsplätze für 800 Menschen mit Behinderung und Menschen mit anderen Einschränkungen, die zum Beispiel nach einer schweren Erkrankung auch den Werkstatt-Status erlangen können. Sie sind erst einmal auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht vermittelbar. Die Arbeitsbereiche in der Werkstatt sind: Industrieservice, Metall, Näherei, Druckerei, Lettershop, Bürodienste, Renovierung, Garten- und Landschaftsbau sowie Hauswirtschaft. „Das größte Potenzial sind unsere kompetenten, gut geschulten und hoch motivierten Mitarbeitenden“, heißt es auf der Webseite.
Seit fünf Jahren leitet Angelika Wortmann bei der Caritas Wertarbeit den Arbeitsbereich Hauswirtschaftliche Dienste in fünf Betriebsstätten. Hier ist sie nicht nur für den Arbeitsbereich Küche, sondern auch für die Gebäudereinigung zuständig. Ziel ist, Menschen mit Beeinträchtigungen für den ersten Arbeitsmarkt zu qualifizieren. So orientiert sich die Qualifikation in allen Arbeitsbereichen laut Wortmann am Bildungsrahmenplan, wenn auch differenziert zugeschnitten auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderung. Wenn jemand beispielsweise nicht lesen kann, werde in den Arbeitsbereichen eben mit Bildern oder andere Hilfsmittel gearbeitet.
Die Stärken des Einzelnen stärken
„Wichtig ist, jeder darf und soll sich ausprobieren, statt zu sagen, das kann er sowieso nicht. Es geht darum, die Stärken des Einzelnen zu stärken“, betont die Abteilungsleiterin. In den Werkstätten werden Menschen mit Behinderung angeleitet von Gruppenleitern, das können im hauswirtschaftlichen Arbeitsbereich Hauswirtschaftsmeisterinnen oder Ökotrophologinnen sein. Aufgaben in der Hauswirtschaft sind alle internen Bewirtungen zum Beispiel bei Konferenzen oder großen Veranstaltungen sowie die komplette Zwischenverpflegung und Essensausgabe in den Werkstätten.
Das Essen wird durch einen klassischen Warmverpfleger angeliefert. Ob Geschirr eindecken, Essenstemperatur messen, Essen ausgeben, abräumen, abspülen oder einräumen: Jeder Beschäftigte macht ganz individuell das, was er kann. Das kann die ganze Palette der hauswirtschaftlichen Aufgaben sein oder auch ein einzelner Teilschritt. „Für eine Beschäftigte haben wir zum Beispiel eine spezielle Aufgabe gefunden, mit der sie sehr zufrieden ist und die sie ganz selbstständig ausführen kann: Sie macht zweimal am Tag eine Rundgang durch das Haus und füllt Toilettenpapier und Handtuchrollen auf und holt sich die Materialien dazu aus dem Lager“, erläutert Angelika Wortmann.
Wenn ein Beschäftigter den Wunsch äußert, etwas Neues zu erlernen, wie zum Beispiel, einen Kuchen zu backen, wird versucht, dies zu ermöglichen. Dafür gibt es spezielle Förderpläne, in denen dies dokumentiert wird.
Werkstätten im ständigen Wandel
Die Werkstattlandschaft ist in einem ständigen Wandel und der Trend geht derzeit in Richtung Außenarbeitsplätze. Aktuell arbeiten bei der Caritas Wertarbeit 80 Menschen auf einem ausgelagerten Arbeitsplatz (AAP). Das bedeutet, sie gehören zwar zur Werkstatt, arbeiten aber in einem Betrieb am Empfang, im Service in einem Café oder unterstützen in der Hauswirtschaft/Küche in einem Altenheim oder Krankenhaus. Diese Mitarbeiter werden von einem sogenannten Integrationscoach betreut, der die Förderung dort vor Ort weiter fortsetzt.
„Das Ziel ist, dass in Zukunft mehr Mitarbeiter auf Außenarbeitsplätzen arbeiten. Wir haben dazu mehr Anfragen, als wir derzeit bedienen können zum Beispiel aus Wäschereien oder Großküchen“, berichtet Angelika Wortmann. Köln sei ein Ballungsgebiet mit guter Infrastruktur und sowohl niederschwellige als auch komplexe Aufträge gäbe es sehr viele, zum Beispiel von der Industrie bei der Montage, Verpackung oder beim Etikettieren und auch von der Universität werden Beschäftigte für die Universitätsbibliothek gesucht. „Für Menschen mit Beeinträchtigung teilt man große Arbeitsprozesse in mehrere Teilschritte ein und gibt diese an entsprechend qualifizierte Beschäftigte. Das kann man in fast jedem Berufsfeld machen.“
Auch die Gebäudereinigung bietet sich als Arbeitsbereich für Menschen mit Beeinträchtigung an. Daher hat die Caritas Köln im Jahr 2013 das Integrationsunternehmen CariClean gegründet. „Wir haben es uns neben der Erbringung stets einwandfreier Dienstleistungen zum Ziel gesetzt, Menschen mit Behinderung in unsere Reinigungsprozesse zu integrieren“, heißt es auf der CariClean-Webseite.
Alexandra Höß
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