Die Kleine Villa, ein Gästehaus im Süden Frankfurts, gehört zum Frankfurter Verband, einem Träger sozialer Einrichtungen. Hier und in einem Zentrum für körperlich Schwerbehinderte werden junge Menschen mit schwieriger Biografie im Bereich Hauswirtschaft ausgebildet. Wie das funktionieren kann, zeigt die erst 27-jährige Bianca Windirsch, Hauswirtschaftsleiterin mit großer Leidenschaft für ihren Beruf.
„Die derzeit zehn Jugendlichen haben alle einen persönlichen Rucksack, den sie mitbringen“, so formuliert es Hauswirtschaftsleiterin Bianca Windirsch. Bei einigen gibt es keine Familienunterstützung mehr, andere mussten die Schule abbrechen, bei wieder anderen haben sich die Eltern getrennt, die Mütter sind alleinerziehend.
Bewerber/innen für dieses Ausbildungsprojekt müssen folgende Voraussetzungen mitbringen: unter 27 Jahre alt, fester Wohnsitz in Frankfurt, keine abgeschlossene Berufsausbildung. Die Ausbildung wird 30 Stunden pro Woche in Teilzeit angeboten und läuft dual: In der Berufsschule werden zwei Tage verbracht, Unterricht im Betrieb gibt es an einem Tag in der Woche, dazu kommen zwei Tage praktische Arbeit im Betrieb. Während der Schließzeiten der Kindertagesstätten können die Kinder der Azubis auch in den Betrieb mitgebracht werden. „Die spielen dann eben ein paar Stunden in unserem Unterrichtsraum, wir sind da flexibel“, so Bianca Windirsch.
Vorbereitung auf die Ausbildung
Es wird ein Vorbereitungspraktikum angeboten, doch das ist kein Zwang, es ist eine Empfehlung, um die Abbrecherquote gering zu halten. „Wir haben eine Auszubildende, die dieses Vorbereitungsjahr nicht brauchte, da sie bereits eine Ausbildung zur Beiköchin begonnen hatte und dann schwanger wurde“, berichtet die Hauswirtschaftsleiterin.
Wer mehr als ein Jahr arbeitssuchend zu Hause gewesen ist, dem wird empfohlen, mindestens über drei Monate bis zu einem Jahr auf Tuchfühlung mit der Ausbildung zu gehen. Einige müssen erst wieder lernen, morgens regelmäßig aufzustehen und pünktlich zur Arbeit zu fahren. Neue Tagesstrukturen – auch für die Kinder der betreffenden Mütter ist das eine Umstellung. Beim Vorbereitungsjahr wird dann auch eine Antwort auf die Frage gefunden, ob es in Richtung Fachpraktiker Hauswirtschaft oder in die Ausbildung zur Hauswirtschafterin gehen soll.
Lernen im Zentrum und in der Villa
Die hauswirtschaftliche Ausbildung AQua-BQB (Ausbildung und Qualifizierung/Beschäftigung, Qualifizierung, Berufsvorbereitung) wird mit dem Zentrum für Weiterbildung gGmbH koordiniert und vom Jugend- und Sozialamt der Stadt Frankfurt am Main finanziert. Ort der Ausbildung ist das „Zentrum für körperlich Schwerbehinderte“ im Stadtteil Niederrad. Hier leben 35 Bewohner, die zu 90 Prozent im Rollstuhl sitzen: 19 im Heim, sechs in einer Wohngruppe und zehn weitere in der Tagespflege.
Ein weiterer Ort der Ausbildung ist die „Kleine Villa“. Das Gästehaus war früher Personalvilla und Pförtnerhäuschen und stammt von der Weinhandelsfamilie Manskopf aus dem Jahre 1887. Es wurde 2012 für 70.000 Euro und mit viel Eigenarbeit zu einem Hotel umgestaltet und gehört zum Frankfurter Verband. Die fünf Zimmer des Hauses sind im Retrostil der 1920er Jahre gestaltet und nach Schauspielern benannt (Jane Fonda, Marlon Brando u. a.).
Übernachtungen kosten pro Nacht 70 Euro im Einzelzimmer bzw. 119 Euro im Doppelzimmer. Auf der Webseite wird das Haus als „gayfriendly“ beschrieben, also als aufgeschlossen für gleichgeschlechtliche Paare. Für chinesische Messegäste wird auch ein Frühstück mit Nudelsuppe, Reis und Grünem Tee serviert. „Wir haben jede Woche Buchungen und zu Messezeiten ist die Villa eigentlich immer voll“, sagt Bianca Windirsch. „Für die Azubis ist das ideal, da sie in der Ausbildung auch einen Beherbergungsbetrieb kennen lernen.“ Von jeder Übernachtung fließen zehn Euro an das „Zentrum für körperlich Schwerbehinderte“, um Geld für besondere Anschaffungen zu sammeln.
Robert Baumann
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