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Durchstarten mit mehr Selbstbewusstsein

Wilfried Veeser ist Pfarrer, Coach und Supervisor. Ende November 2016 gab er sein erstes Seminar für soziales Kompetenz- und Konflikttraining für Menschen speziell in der Hauswirtschaft. Damit geht er ein großes Thema der Hauswirtschaft an: die Wertschätzung.

Herr Veeser, Sie arbeiten seit vielen Jahren als Businesscoach. Wie entstand die Idee, ein Seminar speziell für Hauswirtschafter/innen anzubieten?

In meiner bisherigen Beratertätigkeit haben mich bereits viele Menschen aufgesucht, die im Berufsfeld Hauswirtschaft, Ernährung und Ökotrophologie tätig sind, und nach Rat gefragt. Daneben habe ich durch eine meiner Töchter einen tieferen Einblick und engen Kontakt zur Hauswirtschaft erhalten.
Die Tochter, von der ich spreche, ist als freiberufliche Hauswirtschafterin tätig. Sie musste bereits wiederholt am eigenen Leib erfahren, wie mit Hauswirtschafterinnen und Hauswirtschaftern umgegangen wird.

Daher entstand bei mir die Frage: Warum sind vor allem diese Berufsgruppen Situationen ausgesetzt, in denen sie bedrängt werden, in denen sie sich nicht wohl fühlen und in denen sie immer wieder kämpfen müssen? Das zieht sich leider bei vielen wie ein roter Faden durch deren Biographien. Ich musste feststellen, dass dies ein Berufsproblem ist – die Hauswirtschaft hat ein latent schlechtes Image.

Ich möchte für diese Berufsgruppen Unterstützung und Hilfe anbieten und versuche, den Menschen Mut und Zuversicht zuzusprechen, damit sie zu ihrem Recht gelangen und sich aus der passiven Situation befreien können.

Warum ist insbesondere das Berufsfeld der Hauswirtschaft so anfällig für schlechte Behandlung?

Die Hauswirtschaft wird oft und gerne mit dem Stempel „Putzen kann jeder!“ versehen. Damit ist es allerdings nicht im Mindesten getan. Die meisten Fachfremden machen sich nicht bewusst, was alles an diesem Berufsfeld dranhängt und welches Detail- und Hintergrundwissen für seine oft komplexen Vorgänge benötigt wird. Jeder Fußboden benötigt seine eigene Behandlung, und ein Fenster kann auch nicht jeder so reinigen, dass es wirklich streifenfrei ist.

Es ist fatal, wenn man im Berufsalltag nicht nur mit den leider „üblichen“ und „alltäglichen“ Problemen zu kämpfen hat – also beispielsweise Konflikten mit Vorgesetzten oder Kollegen – sondern auch ständig seinen Beruf verteidigen muss und unter dem schlechten Image und der bescheidenen Bezahlung leidet.

Der Großteil der Hauswirtschafterinnen und Hauswirtschafter arbeitet sehr gerne in diesem Beruf bzw. Berufsfeld, denn diese Tätigkeit vermittelt ihnen ein befriedigendes Gefühl. Viele Menschen kennen das, wenn sie ihre Wohnung komplett auf den Kopf gestellt, geputzt und ausgemistet haben. Damit geht auch eine innere Klärung einher, denn das Reinigen hat auch eine psychische Konnotation.

Aber diese Leistung angemessen zu vergüten oder die Ausführenden gut zu behandeln ist für viele trotzdem nicht an der Tagesordnung! Dieses ambivalente Verhältnis wurde mir durch Begegnungen mit Angehörigen dieser Berufsgruppe nochmals bewusster. Es gibt eine große Kluft zwischen ihrer Arbeit, die oft und gerne positiv wahr- und angenommen wird – viele Menschen empfinden eine tiefe Dankbarkeit ihrer Arbeit gegenüber – und der Art, wie sie behandelt werden. Ich finde das überhaupt nicht in Ordnung, denn diese Arbeit ist wichtig.

Welche Tipps kann man in seinen Alltag integrieren?

Ich rate meinen Klienten, dass sie sich für zirka zwei bis drei Wochen notieren, in welchen Situationen sie mit den für sie typischen Niederlagen konfrontiert waren. Wichtig ist dabei, dass sie vermerken, wann und wo sie welchen Gedanken und Gefühlen ausgesetzt waren. Dabei sollten sie sich bewusst machen, ob sie in der Situation alleine waren oder ob eine oder mehrere – vielleicht sogar – bestimmte Personen involviert waren. Daneben ist es wichtig, dass sie diese Situation bzw. den Vorfall auf einer Skala von null bis hundert einordnen, damit eine Gewichtung und dadurch ein besserer Überblick entsteht.

Diese Aufzeichnungen sollten jedoch nicht in der Schreibtischschublade verschwinden, sondern man sollte sich aktiv mit diesen auseinandersetzen. Am besten, man bespricht sie gemeinsam mit einer vertrauten Person. Dadurch stößt man häufig auf den Kern des Problems und erkennt ein Muster oder typische Situationen, in denen man sich immer wieder ähnlich verhält oder behandelt wird. Oft kann man das Verhalten auch auf andere Lebensbereiche übertragen. Auch erkennt man dadurch, ob die schlechten Gefühle mit einer bestimmten Situation oder Person zusammenhängen.

Es ist auch unbedingt notwendig, das als falsch erkannte Verhalten aktiv zu ändern. Denn ich habe bereits wiederholt erlebt, dass Menschen, die sich selbst schlicht nicht wertgeschätzt fühlten und dann in eine Führungsposition befördert wurden, nur mit Mühe anderen diese Wertschätzung zukommen lassen konnten. Aus diesem Teufelskreis muss man unbedingt ausbrechen.

Wie kann man damit umgehen, wenn ein Vorgesetzter einen im Visier hat bzw. wenn man ein Mobbingopfer ist?

Die meisten Betroffenen würden am liebsten die unangenehmen Situationen oder Menschen komplett meiden – aber das ist im Berufsalltag nur selten möglich. Manch andere resignieren und geben auf, glauben nicht mehr daran, dass sich an der Situation etwas ändern könnte. Das ist der absolut falsche Weg. Stattdessen empfehle ich, die Situation neu zu bewerten: „Ich darf meine Meinung sagen, ich darf mich wehren, ich darf mit ruhiger und klarer Stimme sagen, wie es mir geht“. Sollte Mobbing vorliegen, muss sich der Betroffene an den Betriebsrat, die Personalvertretung und/oder die Mitarbeitervertretung wenden und Beratung in Anspruch nehmen. Wichtig in der Situation: nicht resignieren, denn in der Regel gibt es Hilfe!

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Interview: Eva Maria Reichert

Erkenntnisse der Teilnehmerinnen des Sozialen Kompetenz und Konflikttrainings für Menschen in der Hauswirtschaft

– „Ich habe das Recht, zu sagen was ich möchte, aber nicht das Recht, zu bekommen, was ich möchte.”
– „Ich sehe gezielt das Positive.“
– „Ich lege bei meinen Gefühlen eine Pause ein. Ich überlege, wie ich reagieren will, suche dann nach einer Lösung und handle entsprechend.“
– „Ich habe gelernt, dass die Verantwortung nicht nur bei mir liegt, sondern bei verschiedenen Personen – und da soll sie auch bleiben. Ich bin nicht für alles verantwortlich!“

Mehr zum Thema lesen Sie in der rhw praxis-Ausgabe 4/2016

www.veeser.net

Foto: privat

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