Susanne Mikschy ist Hauswirtschaftsleiterin im Altenwohn- und Pflegeheim Haus Dänischer Wohld GmbH & Co. KG in Osdorf bei Kiel. Das von ihr entwickelte Ernährungskonzept für Menschen mit Schluckstörungen und Demenz wurde im Oktober 2015 bei der Verleihung des „S&F-Förderpreises für Innovatives Verpflegungsmanagement“ besonders hervorgehoben.
Was waren wichtige Ereignisse, die Sie auf dem Weg zum Ernährungskonzept beeinflusst haben?
Zunächst habe ich mit einem Hauswirtschaftskonzept begonnen, das zehn Seiten umfasst und das ich jährlich aktualisiere und nach dem Besuch von Fortbildungen anpasse. Vor vier Jahren habe ich eine dreitägige Fortbildung bei Markus Biedermann in Kiel besucht und danach unseren Mitarbeitern gesagt: „Da müssen wir jetzt ran!“. Wir haben uns Markus Biedermann zwei Tage lang als Berater und Besucher geleistet, damit nicht nur ich als Führungskraft, sondern auch meine Mitarbeiter erleben, worum es bei dem Thema geht.
Wie hoch sind die Anteile von Menschen mit Demenz, Depression oder psychischen Beeinträchtigungen in Ihrer Einrichtung?
Bei uns leben fast ausschließlich Menschen mit psychischen Krankheitsbildern wie etwa Depression, Parkinson oder Demenz. Wir sind also im Prinzip eine gerontopsychiatrische Einrichtung, haben aber ganz bewusst ein offenes Haus. Frei nach dem Motto: Nur, weil jemand alt ist und psychische und kognitive Einschränkungen hat, muss er nicht weggesperrt werden.
Bei uns dürfen sich die Bewohner frei bewegen, und die Mitarbeiter sollen diesen Weg nach dem Pflegemodell von Monika Krohwinkel mit der größtmöglichen Freiheit für Bewohner mitgehen. Außerdem arbeiten wir nach dem Werdenfelser Weg und lehnen Fixierungen und Sedierungen ab. Deshalb gibt es für alle Mitarbeiter Pflichtfortbildungen und Reflexionstage, um das Leben von Menschen mit Demenz besser verstehen zu können. Alle werden eingebunden, egal, ob jemand zuständig ist für Wäsche, Pflege, Betreuung oder Küche.
Wie können Sie die bisherige Lebensgeschichte von Menschen mit Demenz erfassen?
Der Kontakt zu den Bewohnern erfolgt oft nur noch durch Gesten und Mimik. Wenn man länger mit den Bewohnern zusammenlebt, weiß man, was sie bewegt. Einige Bewohner haben gelegentlich Bauchschmerzen oder andere den Wahn, vom Essen vergiftet zu werden.
Essen ist eines der wichtigsten Dinge im Leben des Bewohners. Und wir versuchen jede Mahlzeit, die es am Tag gibt, auch für Menschen mit Schluckstörungen anzubieten, selbst Bratwurst, Sauerkraut und Kartoffelpüree als Schaumkost. Ich bin als Hauswirtschaftliche Betriebsleitung mit meinem Koch und einer Hauswirtschafterin immer wieder am Experimentieren, um das Speisenangebot weiter zu verbessern. Wenn ein Bewohner mit Sondenkost bei uns eingezogen ist und über das Hilfsmittel Schaumkost wieder gelernt hat, normal zu essen, dann ist es für uns alle ein großer Erfolg.
Wie berücksichtigen Sie individuelle Bedürfnisse und Wünsche der Bewohner?
Beim Thema Essbiografie befragen wir auch die Angehörigen. Da geht es um Fragen wie Rituale, Tischgebete, Zeiten, in denen die Mahlzeit eingenommen wird oder ob beispielsweise eine Kerze auf dem Tisch gewünscht ist. In einem von uns gestalteten Heft können dann noch besondere Kindheitsgeschichten und Essensabneigungen aufgenommen werden. Unsere Bewohner sind sehr traditionsbewusst, freitags gibt es auf jeden Fall Fisch und sonntags den Braten, da wollen wir keine Revolution anzetteln. Als Speise- bzw. Tagesräume stehen das Schlemmer Huus, das Sluder Eck, die Back Stuv, die vier Wintergärten und ein Tagesraum im ersten Stock zur Verfügung. Die Bewohner können selbstständig entscheiden, wo sie ihre Mahlzeiten einnehmen möchten.
Interview: Robert Baumann
Das komplette Interview lesen Sie in der rhw praxis-Ausgabe 4/2015